15.5.14

"Praktische Seelsorge riecht manchmal etwas streng"

Aus der heutigen Morgenandacht von Paul Schobel, Stuttgart: 

Seelsorgerinnen und Seelsorger müssen „den Geruch der Schafe“ an sich tragen, meint der Papst! Viele von ihnen erkennt man gleich auf den ersten Blick – die Frauen und Männer im geistlichen Beruf. Einige kommen im Ordensgewand daher, andere im gedecktem Anzug, mit Kleriker-Kragen und einem Silberkreuz am Revers. Das reicht nicht! Der Papst fordert ein ganz anderes, etwas anrüchiges Erkennungszeichen: Seelsorgerinnen und Seelsorger müssen „den Geruch der Schafe“ an sich tragen („Evangelii gaudium“ - 24).
Nun gut – praktische Seelsorge riecht manchmal etwas streng. Ich habe immer noch den Metallstaub und den Ölgeruch aus der Maschinenfabrik in der Nase, in der ich einmal gearbeitet habe. Nichts im Vergleich zu widerlichen Alkoholfahnen, die mir heute manchmal entgegen wehen, nichts im Vergleich zum abgestandenen Mief in heruntergekommenen Mietskasernen oder dunklen Spelunken. Auch Obdachlose duften nicht gerade nach Veilchen.

Aber müssen wir diesen Geruch wirklich in den Kleidern tragen? Klar, was der Papst damit meint. Er setzt dieses Bild in Beziehung zum „Guten Hirten“ in der Bibel. Seelsorge bedeutet, Menschen in ihren Nöten nahe zu kommen, sich so um sie zu kümmern, wie ein Hirte sich um seine Herde kümmert.
Die immer größeren Seelsorgeeinheiten machen allerdings viele Pfarrer eher zu „Hüte-Managern“ als zu guten Hirten. Elegant gewandet und hoch technisiert schalten und walten sie – stets den Bildschirm und das Handy vor Augen – in ihren Zentralen, abgeschirmt und geruchsneutral. Und am Sonntag riechen sie in langen liturgischen Gewändern erst recht nicht nach ihrer Herde, sondern eher nach Weihrauch.
Auch ich muss mich als Priester immer wieder fragen: Teile ich die Not eines Kranken, eines Sterbenden? Halte ich den Schmerz trauernder Menschen aus oder die Zerrissenheit derer, die sich trennen? Bin ich Armen und Arbeitslosen nahe genug? Wie gehe ich mit einem Obdachlosen, einem Alkoholkranken um – auf der Straße und im Pfarrbüro?
Schnuppern Sie mal an Ihren Hirten! Ein noch so schön gestalteter Gottesdienst, liturgisch korrekt und perfekt durchgestylt, bleibt blutleer, wenn er nicht durchdrungen ist von Leid und Glück der Menschen.
Und eine noch so fulminante Predigt wird zur Sprechblase, wenn sie nicht festmacht an dem, was die Menschen heute ängstigt und bewegt.
„Gute Hirten“ sind wir dann, wenn wir wie Jesus von uns sagen könnten: „Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich“ (Johannes 10,14).

1 Kommentar:

Nenne hat gesagt…

Danke für diesen Artikel.
Liebe Grüße
Nenne