„Kaum jemand möchte alt sein, alt werden aber schon.“ Fast schon ein Kalauer, dieser Spruch, aber da ist schon was dran. Mit dem Altwerden verbindet man ein langes, erfülltes Leben, an dessen Ende man lebenssatt gehen kann. Mit dem Altsein verbindet man die Entbehrungen und Mühen des Alters.
Ich habe einen Text gelesen, der diese beiden Sichtweisen zusammenbringt: den Verlust durch das Alter und den Genuss des Alterns. Er ist von Ulla Hahn und heißt „Älter werden“:
„Zögern mitten im Satz, nachfragen, wenn man glaubt, es verstanden zu haben.
Es nicht mehr eilig haben mit dem Wissenwollen.
Einen Stein, ein Glas, eine Hand länger festhalten als nötig.
Den Ärmel des Gegenüber beim Reden berühren, zu spüren man ist noch da.
Ein Buch, einen Blick, eine Haut verlieren und nicht mehr finden wollen.
Erinnern statt sehnen.
Den Gedanken: Das alles ist nach mir noch da - trainieren wie einen Muskel.
Gefühl als wäre jemand im Zimmer.“
Ich mag diesen Text sehr, weil er das Älterwerden ohne Wehmut beschreibt und seine Tugenden ohne sie zu idealisieren.
Die Nachdenklichkeit, das Langsamerwerden des Alterns, das langsamer Werden dürfen. Die Fähigkeit und - ja auch den Wunsch - loszulassen, loslassen zu können, nicht mehr alles haben, alles brauchen müssen. Die Welt ohne mich sehen lernen und zu lernen, dass es sehr wohl auch ohne mich gehen wird.
Und genau deshalb das Jetzt, den Moment auszukosten ohne mich daran festzuklammern. Allein sein können ohne mich einsam zu fühlen, weil ich Menschen, Dinge, Erfahrungen nicht mehr suchen, nicht mehr ersehnen muss, sondern in mir trage. Rückschau statt Planung, Ernte, statt Aussaat. Bestenfalls dankbar.
Peter Kottlorz, Rottenburg, kath. Kirche
(aus Morgengedanken bei SWR4)
1 Kommentar:
Danke für diesen wunderbaren Text, der so vieles ausdrückt, was ich fühle, auch ersehne.
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